Pflege von Angehörigen

Norderstedt/Berlin (dpa/gms) - Über den anstrengenden Alltag mit kleinen Kindern wird viel geredet. Doch die Sorge für den hinfälligen Ehemann oder die verwirrte Schwiegermutter wird meist im Stillen getragen.

Dabei sind Gespräche hier mindestens ebenso wichtig - «auch um die Pflegelast so lange wie möglich zu tragen», sagt Ulrich Mildenberger, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft für Alten- und Angehörigenberatungsstellen (BAGA) aus Norderstedt bei Hamburg.

Die deutliche Mehrheit der hilfsbedürftigen alten Menschen wird zu Hause versorgt: «92 Prozent der Pflegebedürftigen und 85 Prozent der sonstigen Hilfebedürftigen werden privat in der Regel von Familienangehörigen betreut», heißt es in einer Untersuchung von TNS Infratest Sozialforschung in München für das Familienministerium in Berlin aus dem Jahr 2002. In drei von vier Fällen übernimmt eine Frau die Pflege, sechs von zehn pflegenden Angehörigen sind über 55.

Gerade Demenzkranke brauchen oft rund um die Uhr Begleitung. «Die pflegenden Menschen sind ungeheuer angebunden, an Freizeit oder Kinobesuche ist oft gar nicht zu denken», sagt Hans-Jürgen Freter, Sprecher der Deutschen Alzheimer Gesellschaft in Berlin.

Dennoch sollten sich pflegende Angehörige Zeit für Gespräche mit Außenstehenden nehmen, auch um ihre Trauer in Worte zu fassen, sagt BAGA-Vorstand Mildenberger. «Dann kann die Krankheit leichter akzeptiert werden.» In einem zweiten Schritt sollten sie sich fragen: «Welche schönen Momente können wir noch teilen?» Und als Drittes sollte - falls notwendig - Hilfe organisiert werden.

Ist der ältere Mensch als pflegebedürftig anerkannt, kann ein Pflegedienst Erleichterung bringen. Größere zeitliche Entlastungen bringen laut Freter Tagespflege-Einrichtungen. Manchmal gibt es außerdem stundenweise arbeitende Betreuungsgruppen und Helferinnenkreisen. Das Pflegeversicherungsgesetz ermöglicht darüber hinaus eine so genannte Kurzzeitpflege für etwa drei Wochen im Jahr.

Informationen über solche Dienste gibt es bei den bundesweit 66 BAGA-Beratungsstellen. Auch die 77 Alzheimergesellschaften in Deutschland sind laut BAGA-Experte Mildenberger gute Adressen. Anlaufstellen seien zudem Sozialämter, Wohlfahrtsverbände und Kirchen. Unterstützung, auch bei seelischen Problemen, bieten Selbsthilfegruppen - die es allerdings nicht überall gibt.

Vor allem, wenn es häufig Streit mit dem älteren Menschen gibt, ist sogar eine professionelle psychologische Beratung sinnvoll, so die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf, die einen Ratgeber mit dem Titel «Pflegende Angehörige» erarbeitet hat. Demnach werden in Deutschland schätzungsweise 50 000 Pflegebedürftige misshandelt - etwa indem sie lange allein gelassen werden, zu wenig oder zu viele Medikamente bekommen oder sogar geschlagen werden.

Oft steht Überlastung hinter solchen Vorfällen. Ein Warnlämpchen sollte aufleuchten, wenn Angehörige sich unruhig fühlen und oft aus der Haut fahren. «Das ist eigentlich nichts Schlimmes, aber es zeigt, dass es an der Zeit ist, sich Hilfe zu holen», sagt Mildenberger.

Informationen: Deutsche Alzheimer Gesellschaft (Infotel.: 01803/17 10 17 für 9 Cent pro Minute); Bundesarbeitsgemeinschaft für Alten- und Angehörigenberatungsstellen (BAGA), Huntestraße 21, 48431 Rheine (Tel.: 0171/187 74 55).

Grundsicherungsgesetz macht behinderte Menschen unabhängiger

Düsseldorf (dpa/gms) - Das am 1. Januar 2003 in Kraft tretende Grundsicherungsgesetz kann behinderten Menschen mit einer Erwerbsminderung helfen, finanziell unabhängiger zu werden. Darauf weist der Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte in Düsseldorf hin.

Bisher seien Menschen, die wegen ihrer Behinderung nicht voll erwerbsfähig waren, oft auf eine finanzielle Hilfe durch ihre Eltern angewiesen. Mit dem neuen Gesetz sollen die Eltern entlastet werden. Im «Merkblatt zur Grundsicherung» informiert der Bundesverband über die Folgen des Gesetzes für Betroffene. Im Internet kann das Faltblatt kostenlos unter http://www.bvkm.de heruntergeladen werden. Außerdem kann es gegen die Einsendung eines mit 56 Cent frankierten Rückumschlages bestellt werden beim Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte, Brehmstraße 5-7, 40239 Düsseldorf.

Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte: http://www.bvkm.de

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Arzt darf bei Behinderung nicht auf Abtreibung hinwirken

Nürnberg (dpa) - Auch bei einer schweren Behinderung des Kindes darf der Arzt nicht auf einen Schwangerschaftsabbruch hinwirken. Dies entschied das Oberlandesgericht Nürnberg (Az. 5 U 4708/99).

Die Eltern eines schwerbehinderten Kindes, das im Alter von zweieinhalb Jahren gestorben war, hatten von dem behandelnden Frauenarzt Schadensersatz und Schmerzensgeld in einer Gesamthöhe von 175 000 Mark (knapp 90 000 Euro) gefordert. Sie seien nicht ausreichend beraten und aufgeklärt worden. Außerdem sei das tatsächliche Ausmaß der Behinderung ihres Kindes nicht diagnostiziert worden.

Die Richter entschieden, dass der Arzt die Eltern nicht beeinflussen dürfe, sich gegen das Kind zu entscheiden. Er müsse in einem Beratungsgespräch möglichst objektiv sein, sich dabei aber auf die jeweilige Situation einstellen. Der behandelnde Frauenarzt hatte eine Behinderung des Kindes knapp zwei Monate vor der Geburt bei einer Ultraschalluntersuchung festgestellt.

Allerdings konnte nicht auf die Schwere der Behinderung geschlossen werden. Der Gynäkologe habe weitere Experten eingeschaltet und damit seine Pflicht erfüllt, begründete das Gericht die Klageabweisung. Auch die zugezogenen Fachleute hatten die später aufgetretenen schweren Schädigungen nicht erkannt. Bereits in erster Instanz war die Klage aus ähnlichen Gründen abgelehnt worden.

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Roboter hilft laufen lernen

Der Lokomat trainiert Bewegungfähigkeit Querschnittsgelähmter

Querschnittsgelähmte (Paraplegiker) sind häufig nicht so bewegungseingeschränkt, dass sie zeitlebens an den Rollstuhl gefesselt bleiben müssen. Mühsam ist jedoch die Therapie, die ihnen das Laufen wenigstens zeitweise wieder ermöglichen soll - wenn sie nicht von einem Roboter durchgeführt wird. Bislang brauchte ein Patient ein bis zwei Ergotherapeuten, die ihm mittels Laufband-Training das Gehen wieder beibrachten. Da Querschnittsgelähmte meist selbst keine Muskelkraft mehr in den Beinen haben, mussten die Therapeuten die Beine mit schwerer körperlicher Anstrengung per Hand bewegen, um die nicht völlig zerstörten motorischen Zentren im Rückenmark durch Bewegung zu aktivieren. Jetzt hat die Uniklinik Balgrist/Zürich einen Roboter entwickelt, der nicht ermüdet und geduldig dem Willen des Patienten dient

     Der Paraplegiker braucht keine Ergotherapeuten mehr, sondern trainiert nun mit dem Roboter. Die Technik bewegt seine Beine auf dem Laufband. Der Laufroboter ist eine medizinisch-technische Neuheit und wird bald in Serie gehen. Eine weitere Erfindung der Züricher ist ein dynamischer Stehtisch, der auch kreislaufschwachen Paraplegikern Geh-Übungen ermöglichen soll, bis sie körperlich in der Lage sind, ein Laufbandtraining zu absolvieren. Der Prototyp des elektronischen Laufwunders steht in der Universitätsklinik Balgrist in Zürich. Er heisst Lokomat. Mit dem Roboter schufen Gery Colombo und seine Kollegen eine Weltneuheit.

Der 59 Jahre alte Kurt Isler, seit einem Bandscheibenvorfall gelähmt, trainiert mit dem Lokomaten. Sein Trainingsziel: wieder selbständig laufen können, wenn auch mit Stöcken. Gery Colombo gibt zu bedenken, daß der Lokomat nur Sinn mache für diejenigen, die das Gehen auch wieder erlernen können, das heißt Querschnittsgelähmte wie Kurt Isler, bei denen das Rückenmark nicht vollständig durchtrennt ist. Die Klinik-Mitarbeiter werten die Gehversuche ihrer Patienten nach der Therapie wissenschaftlich aus. Auch bei Patient Markus Hofer war die Arbeit am Laufroboter erfolgreich.

Vor zweieinhalb Jahren war er mit dem Mountain-Bike gestürzt. Sein Kopf schlug beim Aufprall hart nach hinten. Er habe gleich nach dem Aufprall gespürt, daß er sein Körpergefühl völlig verloren habe, berichtet Markus Hofer. Die Diagnose lautete dann auch: Querschnittslähmung von der Halswirbelsäule abwärts. Seine Arme und Beine waren gelähmt. Jetzt nach einem halben Jahr am Laufroboter kann der 45-Jährige seine Beine wieder selbständig bewegen. Colombo sieht einen großen Vorteil des Roboters in der Entlastung der Therapeuten. Die schwere körperliche Arbeit werde von der Maschine übernommen und man brauche nur noch einen Therapeuten zur Betreuung des Patienten.

Die Zürcher Wissenschaftler haben nach fünf Jahren Forschung ihren Lokomaten jetzt so weit, das er reif für die Serienfertigung ist. In diesem Sommer werden zwei Exemplare auch in deutsche Kliniken geliefert: nach Heidelberg und Bad Aibling. Stückpreis 250.000 Mark. Die beste "Werbung" sind ehemalige Rollstuhlfahrer wie Markus Hofer, die durch den Lokomaten wieder laufen lernten. Ein weiteres therapeutisches Gerät der Züricher Klinik befindet sich noch in der Testphase. Es soll auf den Laufroboter vorbereiten. Der sogenannte dynamische Stehtisch hilft Querschnittsgelähmten bereits kurz nach ihrem Unfall, die Beine wieder zu bewegen, auch wenn ihnen für den Laufroboter noch die Kraft fehlt.

Professor Dietz erläutert drei Ziele der konsequenten Therapie mit dem Lokomaten. Als erstes sollten die Patienten auf den Gebrauch des Laufroboters hin trainiert werden. Als zweites sollte der Kreislauf der Patienten im Frühstadium nach der Querschnittslähmung stabilisiert werden und drittens müsse der Knochenabbau, der gewöhnlich in den ersten Wochen nach der Querschnittslähmung auftritt, vermindert werden. Markus Hofer ist, dank Laufroboter, bereits auf dem besten Weg. Nach der schweren Verletzung hilft die moderne Robotertechnik ihm wieder auf die Beine.

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