Schmidt will Kostenexplosion im Gesundheitswesen stoppen

CDU fordert Privatvorsorge in der Krankenversicherung

Osnabrück (AP)

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt will die Ausgabenexplosion bei den Arzneimitteln gezielt bekämpfen. Ärzte und Kassen sollten schon jetzt auf freiwilliger Basis Schritte zur Kostendämpfung treffen, bevor solche Vereinbarungen ab kommendem Jahr gesetzlich vorgeschrieben würden, sagte die SPD-Politikerin im Gespräch mit der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Samstagausgabe). Der CDU-Sozialexperte Andreas Storm forderte erneut ein Element der Privatvorsorge in der gesetzlichen Krankenversicherung.

       Am Freitag hatte das Gesundheitsministerium mitgeteilt, dass die gesetzlichen Krankenkassen in den ersten drei Monaten 2000 knapp zehn Prozent mehr Geld für Arzneimittel ausgegeben hätten als im Vorjahreszeitraum. Das Gesamtdefizit sei von 1,7 auf 2,2 Milliarden Mark gestiegen. Das Ministerium führte die erhöhten Ausgaben insbesondere auf die Verschreibung teurerer Medikamente zurück und appellierte an Ärzte und Kassen, Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen.

       Schmidt bekräftigte, dass es vor allem darum gehe, teure Arzneien ohne nachgewiesenen besseren therapeutischen Nutzen zu meiden. Stattdessen sollten verstärkt gleichwertige, aber preiswertere Produkte verschrieben werden. Dazu sei jetzt eine intensive Beratung der Kassenärzte nötig. «Dann können wir die Arzneimittelausgaben noch in diesem Jahr in den Griff bekommen», sagte die Ministerin dem Zeitungsbericht zufolge.

       Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, zeigte sich indessen skeptisch bezüglich freiwilliger Vereinbarungen. Sollte es zu keiner Einigung kommen, würden Schiedsstellen eingeschaltet, so dass langwierige Prozesse drohten, sagte sie der «Frankfurter Rundschau» (Montagausgabe). Göring-Eckardt plädierte dafür, politischen Einigungsdruck zu erzeugen, indem eine Wiedereinführung des festen Arzneimittelbudgets angedroht werde. Diese Budgets einschließlich Kollektivhaftung der Mediziner bei Überschreitungen waren von der grünen Gesundheitsministerin Andrea Fischer eingeführt und von Schmidt wieder ausgesetzt worden.

       Der CDU-Politiker Storm sagte im Interview der «Bild am Sonntag», angesichts der Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung könnten die Beiträge auf Dauer nur mit einer Rücklage bezahlbar gehalten werden. Dem Blatt zufolge haben die CDU-Experten in der Bundestags-Enquete-Kommission «Demographischer Wandel» dieses Konzept bereits akzeptiert und ein entsprechendes Strategiepapier vorgelegt. Demnach sollen Kranken- und Pflegeversicherung zusammengelegt werden, wobei die Rücklage der Pflegeversicherung von derzeit rund zehn Milliarden Mark als Kapitalstock für eine künftige private Zusatzvorsorge dienen soll.

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Mit dem Elektrorollstuhl geht es jetzt auch übers Wasser

Ulmer Tüftler konstruierte Solarboot für Behinderte

Leipzig (AP)

Eine ungewöhnliche Weltpremiere erlebte der kleine Schmucksee vor dem Eingang der Leipziger Messe am Dienstag: Ein von zwei Schaufelrädern angetriebener Katamaran plätscherte über das Wasser, an Bord Martin Schuth und seine Nichte Marina. Erst auf den zweiten Blick fiel auf, dass der Kapitän des Bootes «Sunwheel 1» in einem Elektrorollstuhl sitzt, dessen Räder das Wasserfahrzeug antreiben.

       «In den Mersey River Chalets, einer barrierefreien Ferienanlage in Kanada, ist mir bewusst geworden, wie wichtig und interessant das Medium Wasser für behinderte Menschen ist», berichtete Schuth. Dort habe er die Möglichkeit gehabt, die Natur endlich einmal von einer für ihn ganz neuen Warte aus kennen zu lernen. «Plötzlich ist man nicht mehr an den Rollstuhl gefesselt, sondern kann es genießen, einen Biber, einen Seeadler oder einen unvergesslichen Sonnenuntergang vom Wasser aus zu erleben», sagte Schuth, der selbst Rollstuhlfahrer ist.

       Doch einer bestimmten Gruppe Behinderter war das Erlebnis nur selten vergönnt. Es waren die Feriengäste, die eine so starke Lähmung haben, dass sie auf einen Elektrorollstuhl angewiesen sind. Diesen Menschen, die fast ununterbrochen fremde Hilfe brauchen, sei es nicht möglich, einmal alleine eine solche Bootstour zu unternehmen. «Man hatte zwar einen abgepolsterten Spezialstuhl mit Gurten für ein Kanu konstruiert, in den man die Schwerstbehinderten hineinsetzte und dann über den See fuhr», erinnerte sich der 42-jährige Ulmer. Eine befriedigende Lösung sei dies aber nicht gewesen.

       Er habe ein Boot bauen wollen, das selbst ein Behinderter, der seinen E-Stuhl mit Kinnsteurung fährt, alleine fahren und steuern kann. Das Boot sollte nach seinen Vorstellungen zudem ökologisch funktionieren, nämlich auf Solar- und Elektrobasis. Zudem sei klar gewesen, dass ein derart Gelähmter sich nur in seinem speziell für ihn angepassten Rollstuhl mit individuell adaptierter Steuerung fortbewegen könne. Dies bedeutete, dass der Behinderte mitsamt seinem E-Stuhl auf das Boot fahren musste.

       Schuth grübelte lange, wie sich die verschiedenen Anforderungen verbinden lassen könnten. Die Idee kam ihm dann, als er sich an seine Zeit als aktiver Rollstuhl-Marathon-Fahrer erinnerte. «Damals hatte ich ja meine Kilometer auf einer Trainingsrolle abgespult», berichtete er. Wenn also der Behinderte mit dem Elektrorollstuhl auf das Boot muss, dann könnte man doch gleich diesen E-Stuhl als Antriebssystem nutzen, überlegte der Tüftler.

       «Vor etwa zwei Jahren habe ich erste Skizzen angefertigt und dann im vergangenen Jahr erstmals mit Bootsbauern und Ingenieuren darüber gesprochen», erklärte Schuth. Gemeinsam wurde ein System entwickelt, bei dem die Antriebsräder des Rollstuhls über ein Walzen- und Wellensystem seitliche Schaufelräder in Bewegung setzen. Im Januar diesen Jahres wurde das «Sunwheel 1» getaufte Gefährt erstmals zu Wasser gelassen.

        Solarmodule liefern Strom

       Der Katamaran schwimmt auf zwei Edelstahlkörpern. Der Elektrorollstuhl ist mit Spanngurten auf einer Walze fixiert, über die zwei unabhängig voneinander laufende Wellen und die Schaufelräder angetrieben werden. Über Solarmodule werden zwei Zusatzbatterien geladen, die den antreibenden Rollstuhl speisen und die Reichweite erhöhen beziehungsweise verbrauchte Energie nachladen. Für den Notfall können die Batterien auch einen kleinen Außenbordmotor antreiben. Außer dem Rollstuhlfahrer haben bis zu drei Passagiere Platz an Bord.

       Der Prototyp, den Schuth in Leipzig zeigte, hat übrigens schon einen Heimathafen: Noch in diesem Jahr wird er nach Kanada verfrachtet.

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Jogger rettet Rollstuhlfahrer vorm Ertrinken

Ein Jogger in Bremen hat einen Rollstuhlfahrer im letzten Moment vor dem Ertrinken gerettet. Der 88-Jährige war in einen Nebenfluss der Weser gefahren, nach dem er irrtümlich die Bremse gelöst hatte und sein Rollstuhl eine Böschung hinab gerollt war, teilte die Polizei am Donnerstag mit. Ein zufällig vorbeikommender Jogger sprang ins Wasser und zog den hilflosen Rentner an Land. Ein weiterer Passant hatte derweil bereits einen Rettungswagen bestellt. Der Rentner blieb nahezu unverletzt.