Behindertenverbände fühlen sich vom Ethikrat ausgegrenzt

Hannover (AP)

Behindertenverbände fühlen sich bei der Auswahl der Vertreter für den Nationalen Ethikrat übergangen. Es sei im höchsten Maße unverständlich, dass in das am (heutigen) Freitag erstmals tagende Gremium kein Behindertenvertreter einberufen worden sei, sagte Robert Antretter, Bundesvorsitzender der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung, der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung» (Freitagausgabe).

       In die Debatte müssten auch diejenigen einbezogen werden, die bei der Diskussion etwas zu befürchten hätten. Antretter sagte weiter, viele Behinderte und deren Angehörige verfolgten die Diskussion mit einem mulmigen Gefühl. Wenn Behinderung zu einem Grund für Selektion im Reagenzglas werde, dann sinke auch das Selbstwertgefühl der schon lebenden behinderten Menschen. Die Präimplantationsdiagnostik könnte der Mentalität Vorschub leisten, dass nur gesundes Leben lebenswert sei, kritisierte Antretter.

Erste Sitzung des Ethikrats

Berlin/Düsseldorf (dpa) - Der von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) einberufene Nationale Ethikrat tritt in Berlin zu seiner ersten Sitzung zusammen.

Inhaltliche Ergebnisse wurden von dem Treffen der 25 Experten nicht erwartet. Zum Auftakt der Sitzung wollte sich Schröder äußern. Der Ethikrat soll Stellung zu ethischen Fragen der Gentechnik und Biomedizin beziehen. Dazu gehören etwa die umstrittene Forschung mit embryonalen Stammzellen oder Gentests bei im Labor gezeugten Embryonen. Behindertenvertreter kritisierten, sie würden vom Ethikrat ausgegrenzt.

Unmittelbar vor dem ersten Treffen des Gremiums wurde bekannt, dass über den Antrag Bonner Forscher, embryonale Stammzellen zu importieren, noch nicht wie geplant Anfang Juli entschieden werden soll. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) werde ihre Entscheidung verschieben, erfuhr das «Handelsblatt» aus Kreisen des DFG-Hauptausschusses. Die Forschungsgemeinschaft beuge sich offensichtlich dem Druck aus der Politik, die eine Vertagung der Entscheidung über die erste öffentliche Förderung eines Stammzellenprojektes in Deutschland verlange, schreibt die Zeitung.

Die Bonner Forscher Oliver Brüstle und Otmar Wiestler hatten am Donnerstag Forderungen von Politikern zurückgewiesen, auf die Forschung mit diesen Zellen zu verzichten, bis das Parlament nach der Bundestagswahl 2002 entscheidet. «Die Entwicklung könnte uns dann international davonlaufen», sagte Brüstle. Beide Forscher verwiesen auf neue Therapiechancen für Kranke.

Brüstle hat als erster Wissenschaftler in Deutschland einen entsprechenden Förderantrag bei der DFG gestellt. Er möchte embryonale Stammzellen aus Israel einführen, um daraus Zellen für erkranktes Hirngewebe zu züchten. Dabei wird er von Nordrhein- Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) unterstützt.

Die Unionsfraktion will ihren Gesetzentwurf zum Importverbot von embryonalen Stammzellen in der übernächsten Woche in den Bundestag einbringen. Das kündigte die Fraktionsvize Maria Böhmer (CDU) in der «Financial Times Deutschland» an.

Robert Antretter, Vorsitzender der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung, sagte der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung», es sei unverständlich, dass in den Ethikrat kein Behindertenvertreter einberufen worden sei. «In die Debatte über Gentechnik muss man auch diejenigen einbeziehen, die bei dieser Diskussion etwas zu befürchten haben.» Viele Behinderte und deren Angehörige verfolgten die Diskussion um die Embryonenforschung mit einem mulmigen Gefühl. Wenn Behinderung zu einem Grund für Selektion im Reagenzglas werde, «dann wird sich auch der schon lebende behinderte Mensch nicht mehr so viel wert fühlen».

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Schwerbehinderte Rehabilitanden dürfen Vertretung wählen

Erfurt (AP)

Auch Schwerbehinderte Rehabilitanden dürfen die Schwerbehindertenvertretung einer Einrichtung wählen. Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt erklärte am Mittwoch, im Sinne des Schwerbehindertengesetzes gehörten sie zu den im Betrieb beschäftigten Schwerbehinderten. Die Richter wiesen eine entsprechende Rechtsbeschwerde des Betreibers eines Berufsbildungswerkes ab.

       In dem Berufsbildungswerk werden den Angaben zufolge behinderte Jugendliche beruflich gefördert und ausgebildet. Zur Wahl der Schwerbehindertenvertretung am 4. und 5. November 1998 hatte der Wahlvorstand neben den schwerbehinderten Arbeitnehmern auch die schwerbehinderten Rehabilitanden zugelassen. Daraufhin hatte der Arbeitgeber die Wahl am 10. November 1998 angefochten. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht Berlin hatten dies bereits abgewiesen.

       Aktenzeichen: Bundesarbeitsgericht - 7 ABR 50/99

Baden-Württemberg und Hessen klagen gegen Kassenausgleich

Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe

Stuttgart/Wiesbaden (AP)

Baden-Württemberg und Hessen haben eine Klage gegen den Risikostrukturausgleich innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung vor dem Bundesverfassungsgericht angekündigt. Der Stuttgarter Ministerpräsident Erwin Teufel sagte am Mittwoch: «Wir werden vergewaltigt zu perversen Ausgleichsleistungen.» Das bestehende System der Ausgleichszahlungen unter den Versicherungen sei verfassungswidrig. Durch den bestehenden Ausgleich flössen über zwei Milliarden Mark aus Baden-Württemberg ab.

       Der hessische Ministerpräsident Roland Koch sagte in Wiesbaden, mit dem Gang nach Karlsruhe ziehe das Land die Konsequenzen aus dem immer «größer werdenden Chaos» in der Gesundheitspolitik der rot-grünen Bundesregierung. Dies werde allein schon durch den Streit innerhalb der Koalition über die Einführung und Rücknahme eines Mindestbeitragssatzes dokumentiert. «Kosten und Beiträge galoppieren in nicht mehr verantwortender Weise davon.» Teufel sagte während einer Debatte im Stuttgarter Landtag: «Wir zahlen, und die Nehmerländer haben günstigere Beiträge.»

       Die Stuttgarter CDU/FDP-Landesregierung hatte bereits im Juli vergangenen Jahres den Gang nach Karlsruhe angekündigt. Sie stützt ihre Klage auf ein Rechtsgutachten des Juristen Ferdinand Kirchhof von der Universität Tübingen. Demnach ist das Ausgleichssystem in der vorliegenden Form verfassungswidrig, weil die Transfers zwischen den Krankenkassen verschiedener Bundesländer und auch dem Bund erzwungen werden. Der Bund könne einem Land nicht vorschreiben, Zahlungen an den Bund oder an andere Länder zu leisten. Das verstoße gegen die deutsche Finanzverfassung.

       Teufel rechnete damit, dass nach der Beitragsanhebung bei einzelnen Krankenkassen auch langfristig höhere Kosten auf die Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei der Renten- und Pflegeversicherung hinzukommen.

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