Geistig Behinderter wurde erschossen: Freispruch für zwei Polizisten

Ulm. (dpa) Die Staatsanwaltschaft Ulm hat das Verfahren gegen zwei Polizisten eingestellt, die im vergangenen September einen geistig behinderten Vietnamesen erschossen hatten.

Die Beamten hätten "zur Abwendung einer unmittelbaren Lebensgefahr" auf den 28-Jährigen geschossen, so Oberstaatsanwlat Wolfgang Zieher.

Der Mann war aus einem Behindertenheim entlaufen und hatte mit einer Maschinengewehrattrappe auf die Beamten gezielt. Die Polizisten hatten daraufhin 26 Mal geschossen.

Der geistig Behinderte hatte in einem Wald mit einer Spielzeug-Kalaschnikow gespielt. Zwei Spaziergängerinnen riefen die Polizei. Die beiden eintreffenden Beamten suchten nach dem Mann, ohne auf Verstärkung zu warten.

Nach einem Warnschuss habe sich der Vietnamese auf einen der Polizisten zubewegt und seine echt aussehende Waffe auf den Beamten gerichtet.

Die Polizisten gaben mehrere Schüsse ab, erzielten aber keine Wirkung. Deshalb hätten sie ihre weiter geschossen, bis der Mann umfiel. Er wurde neun Mal getroffen, ein Schuss war tödlich.

Der Vorwurf, die Beamten hätten erkennen müssen, dass ihr Gegenüber ein geistig Behinderter mit einer Plastikwaffe war, könne nicht erhoben werden. Das sei aus der Distanz von ein paar Metern nicht zu erkennen gewesen.

Vielmehr sei dem Heim vorzuwerfen, die Flucht des Vietnamesen nicht umgehend der Polizei gemeldet zu haben.

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Rollifahrerin als erstes Paar bei Homoehe

Von Ulrike von Leszczynski, dpa

Berlin - Ihre Liebesgeschichte hat Gudrun Pannier in den letzten Tagen mehr als hundert Mal erzählt. Sie hat in Fernsehkameras und Radiomikrofone gesprochen, bis ihre Antworten stereotyp klangen. Ja, sie heiratet ihre Freundin Angelika Baldow. Ja, sie haben sich vor sechs Jahren über eine Kontaktanzeige kennen gelernt. Ja, sie sind bundesweit das erste Paar, das sich nach dem neuen Gesetz über eingetragene Lebenspartnerschaften trauen lässt.

Doch dann sagt die Theologin im festlichen Hochzeitsfrack einen Satz, der gar nicht zu ihrer freundlich-gutmütigen Ausstrahlung passen mag. "Unser Kampf als Lesben hat mit dem heutigen Tag erst begonnen." Gudrun Pannier und Angelika Baldow, beide 36 Jahre alt, sind keine Frauen, die sich in die Öffentlichkeit drängen. Baldow wirkt zierlich und zurückhaltend. Nur der Bürstenhaarschnitt verleiht ihr etwas Burschikoses. Pannier gibt sich in Gesprächen bedächtig.

Dennoch haben die beiden Frauen nun die Rolle der Vorzeige-Lesben übernommen. Sie umarmen und küssen sich vor Kameras. Sie spielen ihre Rolle beim Wahlkampfauftakt der Grünen. Das hat mit ihrer Überzeugung zu tun. Seit Jahren hoffen sie auf die rechtliche Anerkennung ihrer Partnerschaft. Sie haben sich sogar schon einmal "symbolisch" trauen lassen. "Wir wollen nicht länger vom Wohlwollen der Behörden leben", sagen sie. Das Paar fordert - über das neue Partnerschaftsgesetz hinaus - die Gleichstellung mit Eheleuten bis hin zum Steuerrecht.

Angelika Baldow kämpft noch einen anderen Kampf - gegen ihre Krankheit Multiple Sklerose, die sie an den Rollstuhl fesselt. Ihr Jura-Studium musste sie aufgeben, arbeiten kann sie nicht mehr. Sie ist auf die Hilfe ihrer Partnerin angewiesen. Bislang hat keine Kranken- oder Pflegeversicherung, keine Bank und keine Rentenstelle ihre Partnerschaft anerkannt. Dass sich das per Gesetz von heute an ändern wird, stimmt das Paar heiter und glücklich.

"Das Emotionale muss sich nun erstmal setzen", sagt Pannier inmitten ihrer großen Hochzeitsgesellschaft aus Familie und Freunden. Zur Feier des Tages wird das Brautpaar "fein essen gehen". Für Flitterwochen, sagt Baldow, "haben wir leider keine Zeit und kein Geld."

(dpa)

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Behinderte beim Gipfel in Italien misshandelt !

Rom - Nach den blutigen Auseinandersetzungen auf dem G-8-Gipfel in Genua kehrt Italien einen Scherbenhaufen zusammen. Die massive Kritik aus dem In- und Ausland bewirkte, dass die Staatsanwaltschaft insgesamt sechs Ermittlungsverfahren einleitete, eines davon direkt gegen die Polizei. Ministerpräsident Berlusconi kündigte eine "Aufklärung um jeden Preis" an.

Doch innenpolitisch sind die Auseinandersetzungen an einen toten Punkt gelangt: Die von der Opposition geforderte Einrichtung einer innerparlamentarischen Kommission zur Aufklärung der Vorwürfe von ungerechtfertigter Polizei-Gewalt lehnten die regierenden Parteien bisher ab. Beobachter glauben, dass der Misstrauensantrag gegen Innenminister Claudio Scajola zurückgenommen würde, sollten die Regierungsparteien einlenken.

Unbeeindruckt von den politischen Schuldzuweisungen arbeitet die Staatsanwaltschaft in Genua unterdessen auf Hochtouren. In den Justizpalast sollen 13 hochrangige Polizeibeamte und 70 einfache Beamte, die bei der scharf kritisierten Räumung der Diaz-Schule und den angeblichen Misshandlungen von Verhafteten in der Kaserne "Bolzaneto" dabei gewesen sind, vorgeladen werden und dort ihre Aussagen machen. Der leitende Staatsanwalt Francesco Pinto hatte schon im Vorfeld angekündigt, dass er eine sehr delikate Ermittlung führe, da es sich um die schlimmsten Vorwürfe gegen Polizisten überhaupt handele. Gewalt gegen bereits Verhaftete sei ein schweres Delikt. Mehreren Polizisten wird Körperverletzung, Amtsmissbrauch und Nötigung vorgeworfen. Darauf stehen bei Verurteilungen Haftstrafen.

Im Justizpalast in Genua wurden auch Räume für die Opfer des "Polizeiterrors" eingerichtet. In vier Tagen wurden in Genua etwa 288 Menschen inhaftiert, doch nur gegen 149 habe ein gültiger Haftbefehl vorgelegen. 76 Menschen seien völlig grundlos festgenommen worden. In einem Zimmer können Fotos, Film- und Video-Aufnahmen abgegeben werden, die als Beweismaterial gegen die Angreifer verwendet werden könnten.

Staatsanwalt Francesco Lalla forderte alle Betroffenen auf, auch ihre Aussagen im Justizpalast zu machen. Man könne Opfern von Polizeigewalt nicht zumuten, ihre Aussagen auf Polizeiwachen zu machen. Dies wird jedoch vermutlich nur noch für die italienischen Globalisierungsgegner möglich sein. Ausländer wurden nach ihrer Freilassung sofort außer Landes geschafft und mit einem Einreiseverbot nach Italien für die kommenden fünf Jahre versehen. Die italienische Presse vermutete dahinter das Abschieben "unliebsamer Zeugen".

Die Anschuldigungen gegen die Polizei, bisher belegt durch die Aussagen von Demonstranten und einem Polizisten, der selbst versuchte, der Brutalität ein Ende zu setzen, sind haarsträubend. Menschen wurden demnach geschlagen und getreten, es wurde ihnen über Stunden der Gang zur Toilette verwehrt. Verletzte durften sich nicht hinsetzen, Behinderte wurden misshandelt. Frauen wurde Vergewaltigung angedroht, Männern in die Genitalien getreten. Die Verhafteten sollen dazu gezwungen worden sein Hymnen auf Mussolini und Pinochet zu skandieren.

In den Medien kommen im großen Rahmen Betroffene und deren Angehörige zu Wort. Der Bürgermeister von Monterotondo, einer Stadt bei Rom, Antonino Lupi, kritisierte die ungerechtfertigte Festnahme seines 18-jährigen Sohnes. Er sei in der Bolzaneto-Kaserne geschlagen und beschimpft worden: "Wunden verheilen; wenn einem ins Gesicht und auf den Mund gespuckt wird, ist es sehr schwer zu vergessen", sagte Lupi der Tageszeitung "La Repubblica".

Vittorio Agnoletto, Chef des Genoa Social Forum (GSF), dem größten italienischen Zusammenschluss von Globalisierungsgegnern, kündigte an, er wolle Politiker und Polizisten gerichtlich verfolgen lassen.

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