Internet soll behindertenfreundlicher werden

Bonn/Berlin (dpa) - Das Internet könnte Franz-Josef Hanke das Leben viel einfacher machen, wären da nicht so viele Barrieren in dem ach so grenzenlosen Netz der Netze. Dank moderner Hilfstechnik findet der blinde Journalist zwar die Busverbindung auf der Internetseite des Verkehrsbetriebs, eine Fahrplanauskunft erhält er aber nicht.

«Die Grafiken, die sehenden Userinnen und Usern zeigen, wohin sie klicken müssen, sind nicht mit Text unterlegt», weist Hanke auf ein Problem vieler behinderter Menschen hin. Eine Initiative des Behindertenverbands «Aktion Mensch» zeigt, dass es auch anders geht - und bekommt Unterstützung von der Politik.

Die im Mai gestartete Initiative «Einfach für alle» will zeigen, dass sich Behinderten gerechte und optisch gute Seiten nicht gegenseitig ausschließen. Iris Cornelssen von der «Aktion Mensch» ist überrascht von der positiven Resonanz, die sie durch die Aktion bekommen hat: «Viele Internetanbieter haben es schlichtweg vergessen, diesen Punkt zu berücksichtigen», sagt die Projektkoordinatorin. Gerade die digitale Welt könnte Menschen mit Behinderungen über Hürden helfen, die ihnen im Alltag im Weg stünden. Im weltweiten Computernetz behindern keine Stufen den Rollstuhlfahrer oder schließen keine Ansagen Hörgeschädigte aus.

Zehn Regeln zeigen Web-Designern und Programmierer das Wie des Konzepts «Einfach für alle». Die Programmierung sollte unter anderem Hilfsmittel wie Sprachausgabe oder Übersetzung in die Blindenschrift Braille möglich machen, Schriftgrößen sollten individuell einstellbar, Bilder mit Texten und Verweise zu anderen Seiten hinter leicht anzuklickenden Symbolen hinterlegt sein. «Eine eindeutige Navigation erleichtert die Orientierung - nicht nur für behinderte Menschen», sagte Cornelssen.

Der Behindertenverband hofft auf einen Sog, der durch das von der Bundesregierung geplante Gleichstellungsgesetz für Behinderte zusätzlich an Stärke gewinnt. Der Referentenentwurf sieht unter anderem eine Verpflichtung aller öffentlicher Stellen vor, ihre Internetseiten Behinderten gerecht zu gestalten. Die Chancen stünden gut, dass das Gesetz im Sommer nächsten Jahres in Kraft tritt, teilte das Büro des Behindertenbeauftragten der Bundesregierung auf Anfrage mit. Unterstützung käme aus allen politischen Lagern. Um einen Konsens mit der Wirtschaft habe sich das Büro stets bemüht. Es hofft darüber hinaus auf so genannte Zielvereinbarungen zwischen Behindertenverbänden und kommerziellen Anbietern auf regionaler Ebene.

Welche Auswirkungen ein entsprechendes Gesetz haben kann, zeigt laut «Aktion Mensch» ein Blick nach Australien und in die USA: Die australische Menschenrechtskommission bestätigte die Klage des blinden Bruce Maguire, dass die Internetseite des nationalen Olympischen Komitees gegen das australische Gleichstellungsgesetz verstoße. Der US-amerikanische Blindenbund zog gegen den Online- Dienst AOL vor Gericht, weil das Unternehmen gegen ein Behindertengesetz aus dem Jahr 1990 verstieß. In einem außergerichtlichen Vergleich verpflichtete sich AOL, seine Internet- Programme anzupassen.

Internetkampagne der Aktion Mensch: http://www.einfach-fuer- alle.de; Bobby: http://www.cast.org/bobby; Referentenentwurf des Bundesgleichstellungsgesetzes: http://www.behindertenbeauftragter.de

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SPD: Sozialhilfe nur noch für Familien und Behinderte

Ottmar Schreiner: Hessischer Ministerpräsident betreibt Populismus. Zustimmung in der Union

Von Hans-Jürgen Leersch

Berlin - Der Vorstoß des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) zu einer umfassenden Sozialhilfereform nach US-amerikanischem Vorbild ist von der Union begrüßt, von den Sozialdemokraten aber energisch zurückgewiesen worden. Koch selbst verteidigte sein Modell gestern: "Ich habe einen sehr vorsichtigen Anspruch formuliert und habe gesagt, wir sollten die Hälfte der erwachsenen Sozialhilfeempfänger wieder in Arbeitsverhältnisse zurückbringen."

Koch kündigte für den Herbst eine Bundesratsinitiative seines Landes an. Damit will Hessen eine Experimentierklausel erhalten, um Sozialhilfeempfänger gezielt in Arbeitsprogramme zu bringen. Wer sich weigere, solle sich auf ein "sehr bescheidenes Leben" (Koch) einstellen.

Von der SPD kam scharfer Protest. Koch gehe es offensichtlich darum, "die Leute zu drücken", sagte der Sozialpolitiker und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, Ottmar Schreiner, der WELT. Zwar sei der Kerngedanke, Sozialhilfeempfänger wieder in Arbeit zu bringen, vernünftig. Wer jedoch unterstelle, dass Sozialhilfeempfänger in Luxus leben, verdrehe die Tatsachen, sagte Schreiner. Der SPD-Politiker wies darauf hin, dass ein allein Stehender mit 900 Mark Sozialhilfe auskommen müsse, die Arbeitslosenhilfe betrage für einen allein Stehenden 1.000 Mark. "Wie hier jemand ein noch bescheideneres Leben führen soll, muss mir Koch erst mal erklären", sagte Schreiner. Der SPD-Politiker warf dem Ministerpräsidenten vor, "die Leute im populistischen Sinne zu missbrauchen". Auch das Bundesarbeitsministerium lehnte Kochs Vorstellungen ab.

Dagegen wurde der hessische Vorstoß in der Union begrüßt. Der CSU-Sozialpolitiker Johannes Singhammer sagte der WELT, er halte die Vorschläge für "sehr überlegenswert". Sozialhilfe sollte auf die konzentriert werden, die sich nicht selbst helfen können, wie Familien und Behinderte. Wer dagegen gesund sei und arbeiten könne, "bei dem ist nicht einzusehen, warum der in bisherigem Umfang Sozialhilfe beziehen soll". Das amerikanische Modell aus Wisconsin, auf das sich Koch bezogen hatte, könne "in Reinform aber nicht auf uns übertragen werden", sagte Singhammer.

Die bayerische Sozialministerin Christa Stewens (CSU) sagte, es sei auch Ziel der Staatsregierung, die Eingliederungschancen für arbeitslose Sozialhilfebezieher zu verbessern. Bayern bereite dazu eine Bundesratsinitiative vor. Der Druck auf Sozialhilfebezieher, auch eine niedrig entlohnte Arbeit anzunehmen, müsse erhöht werden.

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Hotel für Behinderte

Mit den Rollstuhl in die Sauna fahren können Behinderte jetzt in einem neuen Hotel in Rheinsberg in Brandenburg. Dazu seien extra hitzebeständige Rollstühle entwickelt worden, sagte ein Sprecher der HausRheinsberg gGmbH anlässlich der Eröffnung des Behinderten-Hotels in Rheinsberg.

Alle 108 Zimmer seien rollstuhlgerecht eingerichtet. Viele Räume hätten höhenverstellbare Waschtische, motorbetriebene Fenster und Türen. Auf Wunsch stünden auch Pflegebetten zur Verfügung.

Das Hotel verfügt den Betreibern zufolge über ein Schwimmbad mit Lifter und Rutsche sowie einen behindertengerechten Bootssteg und eine Badestelle am Rheinsberger See. Eine Übernachtung mit Frühstück im «HausRheinsberg» kostet ab 80 Mark im Einzelzimmer, im Doppelzimmer ab 160 Mark.

Informationen: HausRheinsberg, Hotel am See, Donnersmarckweg 1, 16831 Rheinsberg (Tel.: 033931/34 40, Fax: 033931/34 45 55, E-Mail: post@hausrheinsberg.de, Internet: www.hausrheinsberg.de).

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Kommentar: Leben ohne Barrieren

Behindertenpolitik geht endlich neue Wege
VON ARMIN JELENIK

Menschen fliegen zwar zum Mond, doch das nächste Postamt ist für viele Behinderte nach wie vor unerreichbar. Enge Türen und Treppen machen Rollstuhlfahrern und Gehbehinderten das Leben schwer und daran wird sich so schnell auch nichts durch den gestern vorgestellten Entwurf eines Gleichstellungsgesetzes ändern. Auch wenn die Initiative übereinstimmend gelobt wurde, wird es noch viele Jahre dauern, bis nicht nur Neubauten und neu angeschaffte Verkehrsmittel frei von hinderlichen Barrieren sind.

Dennoch, das Vorhaben geht – nach Jahrzehnten des Stillstands – in die richtige Richtung. Es wird Zeit, dass der Artikel 3 des Grundgesetzes, kein Mensch darf auf Grund seiner Behinderung benachteiligt werden, endlich praktische Konsequenzen nach sich zieht. Groß gekümmert hat sich die deutsche Politik in den vergangenen Jahrzehnten nicht um diesen Verfassungsgrundsatz, Behindertenpolitik bestand vor allem in der Verteilung von Almosen.

„Hauptfürsorgestellen“ befanden über finanzielle und materielle „Unterstützungen“, der Anspruch auf eine gleichberechtigte Teilhabe am öffentlichen Leben ging irgendwo im Dickicht der Sozialgesetzgebung und institutionalisierten Wohlfahrt unter. Das könnte sich jetzt ändern. Ziel des Gesetzes ist es, Behinderten ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, sie vom Objekt staatlicher Bemühungen zum handelnden Subjekt zu machen. Der Grundsatz des barrierfreien Bauens dürfte dazu nur ein erster Schritt sein.

Viel größerer gesellschaftliche Auswirkungen werden – hoffentlich – das vorgesehene Verbandsklagerecht und die Zielvorgaben haben, die Behindertenverbände mit Firmen und anderen Institutionen abschließen können. Andreas Jürgens, einer der selbst behinderten Autoren des Entwurfs, drückt es so aus: „Die Beharrlichkeit, mit der viele behinderte Menschen ihr tägliches Leben bewältigen müssen, wird sich in ein Verhandlungsgeschick umsetzen, über das sich noch manche wundern werden.“

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