Stammzellen sollen schlimmste Leiden heilen oder lindern

NEW YORK (dpa-AFX) - Wie ein medizinisches Wörterbuch liest sich die Liste der Krankheiten, bei denen Stammzellen einmal helfen sollen. Die Amerikanische Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft (AAAS) zählt bereits mehr als 5.000 Versuche mit Stammzellen, die meisten mit vielversprechendem Ergebnis, aber bisher auch meist in privaten Labors.

Das könnte sich jetzt ändern. US-Präsident George W. Bush gab in der Nacht zum Freitag seine Entscheidung bekannt, künftig öffentliche Gelder für die Stammzellenforschung freizumachen. Allerdings nur begrenzt und mit der strikten Auflage, keine weiteren Embryonen mehr für Stammzellen zu zerstören. Vielmehr sollen Forscher für die neuen Studien nur noch jene Stammzell-Linien verwenden, die seit 1998 entwickelt wurden und sich seitdem beständig weiter vermehren.

Experten glauben, mit Stammzellen aus Embryonen oder von Erwachsenen in einigen Jahren oder Jahrzehnten einmal die Mehrheit aller Leiden lindern oder sogar heilen zu können: Infarkte und Herzversagen, verschiedene Krebsarten, wie etwa Leukämie, Brust- und Eierstockkrebs. Aber auch Knochen- und Gelenkverschleiß, Diabetes und Schlaganfälle sowie Autoimmunkrankheiten wie Multiple Sklerose stehen auf der Liste.

IM TIERVERSUCH VIELE ERFOLGE

Kanadische Mediziner behandeln genetisch bedingte Geburtsfehler bereits bei einigen Kindern mit Stammzellen, wie Teamleiter John Dick vom "Hospital for Sick Children" in Toronto im Dezember in "Nature Immunology" berichtete.

Viele Erfolge werden aus Tierversuchen berichtet. Kiminobu Sugaya von der Universität von Illinois in Chicago injizierte alten Ratten Stammzellen ins Hirn und beobachtete, wie sich ihr Gedächtnis langsam regenerierte. Am Ende fanden sich die betagten Nager wieder genauso gut in einem Test-Labyrinth zurecht wie Jungtiere ("NeuroReport", Mai 2001).

Harvard-Forscher (Boston) verhalfen erblindeten Ratten wieder zum Augenlicht mit Stammzellen, die sie in die Netzhaut spritzten. Und Helen Blau von der Stanford Universität in Palo Alto (Kalifornien) reparierte Hirnschäden bei Mäusen mit Stammzellen ("Science", Dezember 2000).

Der durch einen Reitunfall querschnittsgelähmte Filmstar Christopher Reeve ("Superman") hofft, bald wieder gehen zu können. An der Johns-Hopkins-Universit ät in Baltimore gelang es Forschern, bewegungsunfähige Mäuse durch Injektion von Stammzellen in die Wirbelsäule wieder auf die Beine zu bringen. Die Stammzellen bildeten neue Verbindungen zwischen durchtrennten Nervensträngen. Jedes zweite Tier konnte nach der Therapie wieder ungehindert laufen. Die anderen zogen ihre Beine schleppend nach, berichteten die Hopkins-Neurologen im November auf einer Tagung in New Orleans.

STAMMZELLEN VON WENIGE TAGE ALTEN EMBRYONEN

Einige ältere Studien wurden noch mit Stammzellen aus dem Rückenmark von Erwachsenen durchgeführt. Inzwischen steht fest, dass Stammzellen von wenige Tage alten Embryonen noch viel mehr Potenzial haben. Sie können ein weitaus größeres Spektrum von Geweben reparieren und ersetzen als die adulten Stammzellen. Zu diesem Schluss kommt ein umfassender Bericht der US-Staatlichen Gesundheitsforschungsinstitute (NIH) in Bethesda (Maryland) vom Juli.

Die Krux der Bush-Entscheidung ist aber, dass die USA nur Projekte mit bereits existierenden Linien von Stammzellen fördern wollen. "Erstens halten diese Zell-Linien nicht ewig, und zweitens sind viele von ihnen durch Patente und Lizenzen geschützt und für Forscher an Universitäten nicht verfügbar", sagte der Bioethiker Arthur Caplan von der Universität von Pennsylvania dem Sender CNN.

Alle Stammzell-Linien in den USA stammen nach Auskunft des Biologie-Professors an der Stanford-Universität und Nobelpreisträgers Paul Berg vom WiCell-Institut in Madison (Wisconsin). Doch WiCell hat die Rechte für Stammzell-Studien zur Bekämpfung der acht am weitesten verbreiteten Krankheiten wie Diabetes, Alzheimer und Parkinson längst an die Biotech-Firma Geron in Menlo Park (Kalifornien) verkauft. Das heißt, dass alle anderen Forscher nicht nach einer Therapie oder Heilung für diese Krankheiten suchen dürfen, solange sie die einzigen in den USA verfügbaren embryonalen Stammzellen von WiCell benutzen. Selbst mit Geld aus Washington nicht.

--- Von Gisela Ostwald, dpa ---

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Von Anfänger operiert

Patienten-Forderung nach Schmerzensgeld vergebens

Zweibrücken (EB/ASS). Krankenhausaufenthalte und insbesondere Operationen sind für die Betroffenen immer mit etwas Angst verbunden. Das Operationsvorgespräch mit dem Arzt sowie der kurze persönliche Kontakt mit dem Anästhesisten sollen dazu beitragen, die Sorgen des Patienten zu zerstreuen und Vertrauen zu schaffen. Worüber jedoch nicht gesprochen wird, sind Erfahrung und Befähigung des operierenden Arztes im Hinblick auf den konkreten Eingriff. Ein weißer oder grüner Kittel mag dem Patienten Respekt einflößen, er verrät aber nicht, wie viele Operationen der Arzt bereits durchgeführt hat.
Der Anwalt-Suchservice schildert einen Fall, in dem ein junger, unerfahrener Arzt mit einer fehlerhaften OP eine verhängnisvolle Kettenreaktion auslöste.

Ein Mittfünfziger, der als junger Mann bei einem Arbeitsunfall den linken Unterschenkel verloren hatte und seitdem eine Prothese trug, ließ sich wegen belastungsabhängiger Kreuzschmerzen radiologisch untersuchen. Mittels einer Computertomographie der Wirbelsäule stellt man in einem bestimmten Segment eine Veränderung der Bandscheibe fest und riet dem Patienten zu einer Operation. Schmerzgeplagt stimmte der Mann zu. Der Eingriff, eine so genannte Nukleotomie, wurde von einem jungen Mediziner durchgeführt, der erst am Anfang seiner Facharztausbildung stand. Und da passierte es: Der unerfahrene, junge Arzt operierte am falschen Wirbelsegment, ohne dass dies vom anwesenden Oberarzt erkannt wurde.

Erneuter Eingriff

In der Folgezeit klagte der Patient deshalb weiterhin über Beschwerden, was einen erneuten Eingriff, diesmal am richtigen Segment, nach sich zog. Doch eine Besserung trat nicht ein. Vielmehr litt der Mann plötzlich unter viel größeren belastungsunabhängigen Schmerzen. Die Folge waren Schlaf- und Sexualstörungen. Außerdem konnte der Patient, der ein begeisterter Behindertensportler gewesen war, nur noch kurze Strecken zu Fuß gehen und musste zeitweise ein Stützkorsett tragen. Dann kam der nächste Schlag: Der schwer gepeinigte Mann verlor seinen Job und wurde berentet. Er ließ eine weitere OP durchführen. Diesmal stabilisierten die Ärzte die Wirbelsegmente mit so genannten Körben und eingebrachten Stangensystemen. Doch das Unglück nahm seinen Lauf: Eines der Implantate brach und die Schmerzen des Patienten steigerten sich ins Unerträgliche. Ein erneuter chirurgischer Eingriff wurde notwendig. Aber das Martyrium fand kein Ende, sondern setzte sich fort. Nach dieser Operation konnte der leidgeprüfte Mann sechs Monate lang nicht sitzen und ist seitdem permanent auf ein Stützkorsett angewiesen. Der ehemals so aktive und lebensfrohe Mann verfiel daraufhin in Depressionen.
Die verantwortlichen Ärzte versuchten, ihn mit einer Zahlung von 40 000 Mark abzuspeisen. Doch der Patient zog vor Gericht und forderte von dem Arzt, mit dessen Fehloperation sein nicht enden wollender Leidensweg begonnen hatte, Schmerzensgeld und Schadenersatz. Vergebens.
Die Richter des Oberlandesgerichts Zweibrücken entschieden wie folgt: Ein Schmerzensgeldanspruch des Mannes sei bereits durch die gezahlten 40 000 Mark abgegolten. Der Patient habe nicht beweisen können, dass seine Schmerzen und Beeinträchtigungen durch die fehlerhafte OP verursacht worden seien. Im Übrigen sei einem Arzt, der am Anfang seiner Facharztausbildung stehe, eine fehlerhafte Beurteilung bei der von ihm durchgeführten OP nicht vorzuwerfen, wenn er sich durch Rückfrage bei dem die OP leitenden Oberarzt vergewissert, sich auf dessen Beurteilung verlassen und dementsprechend gehandelt habe
(Aktenzeichen: 5 U 17/00).

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