Sexualität im Erwachsenenleben physisch eingeschränkter Menschen

Der Umgang eines physisch eingeschränkten Menschen mit seiner Sexualität hängt zum einem häufig davon ab zu welchem Zeitpunkt die Beeinträchtigung eingetreten ist.

Einstellung und Umgang mit der eigenen Sexualität werden sich anders gestalten, wenn die körperliche Einschränkung seit der Geburt oder seit einer frühkindlichen Schädigung vorliegt, als wenn die motorische Beeinträchtigung erst im Erwachsenenleben eingetreten ist.

Bei Menschen, die bereits seit ihrer Kindheit physisch eingeschränkt sind, treten meist Schwierigkeiten wegen der Asexualität ihrer Erziehung und ihres Umfelds auf (siehe auch 3.).

Ein weiteres Problem für früh motorisch beeinträchtigte Menschen ist, weil sie meist isoliert aufwachsen, Kontakte mit anderen aufzubauen und Beziehungen anzubahnen.

Es ist aber nicht nur die mangelnde Kontaktfähigkeit, sondern vor allem auch mangelnde Kontaktmöglichkeiten. Viele Gelegenheiten (z. B. in Cafe, Kneipe, Kino ect.), um mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen, sind für physisch eingeschränkte Menschen erschwert zugänglich. Hinzu kommt, daß motorisch beeinträchtigte Menschen häufig in Heimen oder anderen institutionalisierten Einrichtungen leben.

"Ein glückliches Leben, sexuelle Beziehungen zu anderen Menschen setzen voraus, dass man imstande ist, andere Menschen kennen zulernen, unabhängig zu sein, sich erwachsen zu fühlen, und die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.".

Eine physische Beeinträchtigung, die erst im Erwachsenenleben eintritt, stört das psycho-soziale Gleichgewicht des Individuums erheblich, besonders dann, wenn sie abrupt eingetreten ist.

Viele Fragen auch auf dem sexuellen Gebiet treten auf, werden aber von den medizinischen Fachkräften nur schwer oder unsensibel beantwortet. Dazu ein Beispiel von PORTER (1988):

"Als ich meinen Unfall hatte, sagte mir niemand, dass ich meinen Samen sammeln und einfrieren lassen sollte, falls ich später einmal Kinder haben wollte. Jetzt kann ich keine mehr haben.".

Eine plötzlich eingetretene physische Beeinträchtigung im Erwachsenenleben berührt aber nicht nur die Sexualität des betroffenen Menschen selbst, sondern auch seinen (Ehe) Partner und seine Familie. Die abrupte motorische Einschränkung kann einen erhöhten Stressfaktor innerhalb der Ehe darstellen und ihre Beständigkeit bedrohen. Allerdings ist das Scheitern einer Partnerschaft nicht unbedingt auf die physische Beeinträchtigung zurückzuführen. Vielfach ist sie nicht Ursache, sondern nur Anlass einer Ehescheidung, also ein Zeichen, daß die Partnerschaft schon vorher zerrüttet war.

Eine plötzlich eingetretene körperliche Einschränkung kann entscheidend das Selbstbildnis des betroffenen Menschen beeinflussen. Er selbst sieht sich kaum noch als Lustobjekt oder Subjekt. Wichtig ist also hier sein zerstörtes Selbstbild wiederaufzubauen oder durch ein neues zu ersetzen, das zwar der realen Lebenssituation mit einer physischen Einschränkung Rechnung trägt, mit dem man aber auch leben kann (Heft 2, PARAPLEGIKER, 1995, S. 20) .  

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