Einrichten für Senioren und Behinderte

Frankfurt/Main (dpa/gms) - Altern ist ein Thema, das früher oder später alle angeht. Dennoch steht Deutschland noch am Anfang, wenn es um barrierefreies Wohnen geht. Dabei bedarf es oft nicht viel, ein Produkt barrierefrei zu gestalten, außer der Bereitschaft dazu.

Wenn ein Einrichtungsgegenstand problemlos auch für ältere Menschen oder für Behinderte zu nutzen ist, ist er allerdings häufig nicht gerade eine Augenweide. Produkte für barrierefreies Wohnen müssen aber nicht unbedingt nach Krankenhaus aussehen, sagt der Designer Olaf Barski aus Frankfurt. Er befasst sich seit mehr als einem Jahrzehnt mit der Gestaltung von medizintechnischen Geräten und Möbeln.

Barskis Umfragen bei Senioren haben ergeben, dass diese sich auch bei Möbeln für Pflegebedürftige schön gestaltete Stücke wünschen, die in ihre gewohnte Umgebung passen. «Deshalb hatte ich bei einigen meiner Entwürfe Farbtöne aus Orientteppichen abgeleitet und formschöne große Griffe an den Schränken angebracht, die je nach Behinderungsgrad selbst einstellbar sind.»

Gefragt sind Barski zufolge intelligente Lösungen. So ist zum Beispiel die vor allem für Balkon und Garten gedachte «Comfortliege» des Herstellers Richard Henkel aus Forchtenberg (Baden-Württemberg) auf vier verschiedene Einstiegshöhen einstellbar. «Die persönliche Wahl der Einstiegshöhe macht ein bequemes Hinlegen und Aufstehen auch nach einer Hüft- oder Knieoperation möglich», erklärt Firmensprecherin Annette Schmitt. Als «Gesundheitsliege» bezeichnet sie das Stahlrohrmöbel - wobei es optisch kaum Hinweise darauf gibt, dass die Liege für in ihrer Beweglichkeit eingeschränkte Menschen entwickelt wurde.

Wie wichtig es ist, dass auch die Optik stimmt, weiß Bettina Bohlken, Online-Redakteurin der Deutschen Gesellschaft für Gerontotechnik (GGT) in Iserlohn. Die GGT hat ihren «Innovationspreis 2003» dem Unternehmen Duravit aus Hornberg für den Waschtisch aus der Serie «Starck» verliehen: Es sei dem Preisträger besonders gut gelungen, Funktionalität und Design zu verbinden und keine reinen Seniorenprodukte zu entwickeln, sondern einen Gegenstand, der Jung und Alt den Alltag erleichtert, so Bohlken.

Diese Haltung kann Designer Barski gut nachvollziehen: «Möbel für barrierefreies Wohnen sollten nicht die Behinderung, sondern die noch vorhandene Vitalität hervorheben.» Deshalb gibt es auch das Projekt Seniorengerechte Technik im häuslichen Alltag - kurz «sentha» - am Institut für Produktgestaltung der Universität der Künste in Berlin. Designer Mathias Knigge ist mit dem Forschungsprojekt beauftragt. «Wir greifen die Bedürfnisse älterer Menschen auf und entwickeln aus unserer Forschung heraus Prototypen von Produkten, die gleichzeitig für viele Lebensalter attraktiv sind», sagt Knigge.

In diese Kategorie passt auch das «LifeSystem» des Herstellers Hewi in Bad Arolsen (Hessen). Das speziell für barrierefreies Wohnen entwickelte Baukastensystem umfasst Produkte für Dusche, Waschtisch und WC. Die Materialkombination aus Kunststoffen in leuchtenden Farben wie Blau oder Rot und sanften Tönen mit hochwertigen Metalloberflächen sollen ein angenehmes Ambiente schaffen. «Das System ist flexibel anpassbar und erweiterbar. Mit Hilfen wie dem schwenkbaren Spiegel, Griffen in Waschbeckennähe oder einem individuell aufrüstbaren Sitz für die Dusche wird die Sicherheit und Selbständigkeit der Nutzer gefördert», erklärt Pressesprecherin Christina Heine.

Um Selbständigkeit ging es auch der Firma Roto Frank aus Leinfelden-Echterdingen (Baden-Württemberg) bei der Entwicklung ihres Fensterbeschlags. «Bei dem Komfortfenster sitzt der Griff am Fensterflügel unten waagrecht und ist damit auch im Sitzen einfach zu erreichen», erläutert Vorstandsmitglied Rainer Kohn. Senioren oder Rollstuhlfahrer brauchten so beim Fenster öffnen keine Hilfe.

Es sei an der Zeit, dass barrierefreie Produkte ernst genommen werden, sagt Kohn. Ähnlich sehen es Mathias Knigge vom Forschungsprojekt «sentha» und sein Design-Kollege Olaf Barski - wichtig seien aber nicht nur neue Produkte, sondern auch deren Gestaltung. «Die Alten sind heute nicht mehr die typische Opa- und Omageneration, sie sind modebewusster geworden und interessieren sich für das Interieur, das sie umgibt», erklärt Barski.

Aber das Thema Barrierefreiheit werde von der Allgemeinheit und vielen Firmen noch auf die leichte Schulter genommen oder verdrängt. «Warum muss technische Weiterentwicklung immer darauf abzielen, dass die Dinge kleiner werden?» Es gebe zwar viele Studien für Telefone mit großen Tasten, aber nur wenige elegante Lösungen. Barrierefreie Produkte dürften keine Nischenprodukte bleiben, so Barski.

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Geistig Behinderte im Rentenalter

Frankfurt/Main (dpa) - Das Thema wurde bislang oft verdrängt: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik erreichen in diesen Jahren Menschen mit geistiger Behinderung in großer Zahl das Rentenalter.

Durch die unmenschliche Euthanasie-Politik des nationalsozialistischen Regimes wurde bis 1945 die überwiegende Mehrheit der geistig und körperlich Behinderten umgebracht. Nach Darstellung von Historikern starben rund 80 000 Behinderte in den Vernichtungslagern, unter ihnen vor allem auch viele geistig behinderte Kinder.

Mittlerweile kommen geistig Behinderte, die nach dem Krieg geboren wurden, in großer Zahl ins Rentenalter oder werden auf Grund von körperlichen Gebrechen pflegebedürftig. Für die Sozialarbeit sei dies eine neue Herausforderung, sagt Frank Keßler-Weiß, beim Frankfurter Caritasverband zuständig für Jugend- und Behindertenhilfe. Mit einem neuen Konzept will sich ein Frankfurter Haus der Caritas, das am Mittwoch neu eröffnet wurde, diesen Aufgaben annehmen. Es will mit einem «Wohnverbund für geistig behinderte Erwachsene» hessenweit ein Beispiel geben für eine Neuorientierung in der Betreuung älterer Menschen mit Behinderung.

«Normale Altenpflegeheime sind für diese Gruppe in der Regel nicht geeignet,» betont Keßler-Weiß. Auch Altenpflegekräfte seien von ihrer Ausbildung her nicht auf geistig behinderte Menschen vorbereitet. Viele der Betroffenen wurden zeitlebens betreut, lebten in Heimen und arbeiteten in geschützten Werkstätten. Wenn sie dazu nicht mehr in der Lage sind, bleiben sie tagsüber zu Hause. Doch darauf sind auch die Behindertenheime derzeit nur selten eingestellt. «Früher konnten wir tagsüber die Türen zumachen, da waren unsere Bewohner alle in der Werkstatt. Heute müssen wir ihnen die Möglichkeit geben, bei uns alt zu werden», sagt der Leiter des Frankfurter Konrad-von- Preysing-Hauses, Michael Wolf.

Das Caritas-Haus ist gerade den gewandelten Bedürfnissen seiner Bewohner angepasst und mit einem Kostenaufwand von 1,4 Millionen Euro komplett umgebaut worden. Bei der Neu-Eröffnung am Mittwoch stellte Wolf das neue Konzept des Wohnverbundes für geistig behinderte Erwachsene vor. «Wir wollen kein Altenpflegeheim für Menschen mit geistiger Behinderung werden.»

In dem neu gestalteten Haus im Stadtteil Sachsenhausen sollen sich vielmehr Menschen von 18 Jahren an bis ins hohe Alter hinein zu Hause fühlen. Ihnen stehen ein Wohnheim mit 30 Plätzen, eine Außenwohngruppe, in der vier behinderte Menschen in einer Wohngemeinschaft leben, und das so genannte Betreute Wohnen zur Verfügung, bei dem geistig behinderte Erwachsene weitgehend selbstständig in eigenen Wohnungen leben.

Mit Unterstützung pädagogischer Fachkräfte leben im Konrad-von- Preysing-Haus Erwachsene, die ganztags einer Arbeit nachgehen können, ebenso wie ältere Menschen mit geistiger Behinderung, die bereits aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind. Auch für diese Gruppe sei es wichtig, eine möglichst große Selbstständigkeit zu sichern. In kleineren Wohneinheiten leben die Menschen fast wie in Familien zusammen. Ein neues Café steht nicht nur ihnen, sondern auch den Nachbarn aus dem Stadtteil zur Verfügung. «Damit wollen wir den Heimcharakter ein Stück weit auflösen, und uns nicht zu sehr von der Gesellschaft abkapseln», sagt Wolf.

Auch für den Direktor des Landeswohlfahrtsverbandes (LWV) in Kassel, Lutz Bauer, ist dieses «offene Angebot» beispielhaft. Der LWV, bisher schon «Hauptfinanzier des Betreuten Wohnens für Menschen mit Behinderungen», wolle das «Wohnen im Verbund» in seinen Behinderteneinrichtungen landesweit ausbauen, sagte Bauer bei der Eröffnung am Mittwoch. Mit der «ganzheitlichen Gestaltung» komme der LWV dem Wunsch der behinderten Menschen nach einem weitgehend selbst bestimmten Leben nach. Die Menschen könnten so die Unterstützung bekommen, die sie in ihrem jeweiligen Lebensabschnitt gerade brauchten.

Sport-Studium für Behinderte an TU München

München (dpa) - In Zukunft sollen auch behinderte Menschen Sport an der Technischen Universität (TU) in München studieren können. Die Fakultät für Sportwissenschaft habe eine entsprechende Anweisung erhalten, heißt es bei der TU.

Die Universität war in der vergangenen Woche heftig in Kritik geraten. Dem gehörlosen Spitzensportler Christoph Bischlager aus Warmisried im Landkreis Unterallgäu war zunächst das Studium verwehrt worden. Zur Begründung hatte es geheißen, das Erreichen des Ausbildungsziels sei von vornherein ausgeschlossen.

Nach mehreren Medienberichten erhielt der talentierte 18-Jährige schließlich eine Zusage für das Studium zum Wintersemester 2002/2003. Der Allgäuer ist 48-maliger Deutscher Meister und vierfacher Europarekord-Halter in mehreren Sportarten.

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Behinderten eine Zukunft geben

Frankfurt/Main: Eigentlich ist die Antwort ganz einfach: «Es gibt keine Behinderten, es gibt nur verschiedene Menschen», betont der Direktor der Evangelischen Akademie im hessischen Arnoldshain, Hermann Düringer. Doch was für den Pfarrer aus christlicher Sicht selbstverständlich erscheint, wird von vielen Menschen als bedrohlich empfunden.

Ihnen kommt der medizinische Fortschritt entgegen, der Abweichungen von der Norm immer früher erkennt. Seit 35 Jahren gibt es die Fruchtwasseruntersuchung, die es etwa zur Halbzeit der Schwangerschaft ermöglicht, Störungen wie das Down-Syndrom festzustellen.

Doch was den Ärzten als Erfolg gilt, treibt Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen immer mehr in die Defensive. Mütter mit behinderten Kindern müssten sich rechtfertigen, weil ihre Kinder als «vermeidbares Schicksal» gelten. Die meisten fühlten sich zur Abtreibung gezwungen, wenn klar sei, dass ihr Kind behindert zur Welt komme, berichteten zahlreiche Frauen bei einer Tagung der Evangelischen Akademie und des Arbeitskreises Down-Syndrom (Bielefeld) über «Menschen mit Down-Syndrom - Menschen mit Zukunft» am Wochenende in Frankfurt.

«Menschen mit Down-Syndrom wird kaum noch das Glück gegönnt, auf die Welt zu kommen», beklagte Maren Müller-Erichsen von der Bundesvereinigung Lebenshilfe (Gießen). Etwa 1000 Geburten von Kindern mit Down-Syndrom pro Jahr stünden rund 135 000 Schwangerschaftsabbrüche nach vorgeburtlicher Diagnostik gegenüber. Den Frauen werde keine Zeit zum Nachdenken gegeben, viele seien noch nie mit behinderten Menschen in Berührung gekommen. Dabei verursache gerade diese Variante des menschlichen Chromosomensatzes, bei dem das Chromosom 21 drei Mal statt zwei Mal in jeder Zelle vorhanden ist, nur eine «leichte Form von geistiger Behinderung».

Komplikationen bei der Geburt, Unfälle oder nicht genetisch bedingte Störungen seien weitaus häufiger Grund schwerer Behinderungen, betonte der Direktor des Instituts für Humangenetik an der Frankfurter Goethe-Universität, Prof. Ulrich Langenbeck. Kinder mit Down-Syndrom seien die «Außenminister der großen Gemeinde von Menschen mit Behinderung», liebenswert, freundlich und mit vielfältigen Fähigkeiten ausgestattet.

Die Angst vor dem Down-Syndrom rührt nach Ansicht des Experten vielfach daher, dass immer weniger Menschen mit Behinderung geboren werden. Kaum jemand komme in seinem Freundeskreis mit Behinderungen in Kontakt. Deshalb rät auch Bernadette Rüggeberg (Köln) von der katholischen Schwangerenberatung donum vitae in Nordrhein-Westfalen nach einer solchen Diagnose erst einmal zum Besuch einer Familie, die das Leben mit dem behinderten Kind schon meistert. «Wir vermitteln solche Kontakte bewusst», sagt sie, allerdings würden Frauen diese Beratung, auf die sie einen gesetzlichen Anspruch haben, kaum annehmen.

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Keine rückwirkende Fahrtkostenerstattung für Behinderte

BSG – Az.: B 9 SB 3/01 R
Schwerbehinderte haben erst nach dem Erhalt ihres Berechtigungsausweises ein Anrecht auf kostenlose Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel - auch wenn sie die gesundheitlichen Voraussetzungen schon lange vorher erfüllt haben.

Eine rückwirkende Erstattung der Fahrtkosten für Bus und Bahn sei nicht möglich. Für die Zeit zwischen Antrag und Ausstellung des Ausweises müssten Schwerbehinderte nach der derzeitigen Rechtslage auf den Nachteilsausgleich verzichten. Zwar werde die alternativ wählbare Ermäßigung der Kraftfahrzeugsteuer rückwirkend gewährt, doch sei diese mit der kostenlosen Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zu vergleichen. Wer Busse und Bahnen benutze, habe keine Fixkosten und sei deshalb auch bei längerem Warten auf den Ausweis wirtschaftlich nicht unbedingt schlechter gestellt als ein schwerbehinderter Autofahrer. Die unterschiedlichen Regelungen verstießen daher nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes.

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