In der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe braucht es Qualität in Vermittlung und Beratung

Anfang 2005 sollen die wesentlichen Veränderungen der Zusammenlegung
von Arbeitslosen- und Sozialhilfe umgesetzt werden.
Wie alle relevanten Fachverbände, hat auch der Deutsche Berufsverband
für Soziale Arbeit (DBSH) auf die dramatischen Folgen der Leistungseinbußen
für viele Arbeitslose, insbesondere für viele Arbeitslose mit Kindern
hingewiesen.

Umso wichtiger wird das Versprechen der Politik sein, zugleich auch die
Förderung der Erwerbslosen zu verbessern. Doch davon ist man sechs
Monate vor Inkrafttreten der Änderungen weiter entfernt als je zuvor.
Insbesondere kritisiert der DBSH die Verkürzung der Zielsetzung der
Leistungen ausschließlich auf die Förderung von Erwerbstätigkeit,
Arbeitsvermittlung und Abbau von Vermittlungshindernissen. Der
Grundsatz von „Fordern und Fördern“ ist nur dann vertretbar, wenn
wirklich Arbeitsangebote gemacht, die Probleme der Arbeitslosen
erkannt, effektive berufsqualifizierende und persönliche Hilfen durch
Fachkräfte der Sozialarbeit angeboten und Rechtsansprüche auf
Unterstützung eingeräumt werden.

Der DBSH ist der Meinung, dass das von der Politik angekündigte
„Fördern“ von der Bundesagentur für Arbeit weder rechtzeitig noch mit
ausreichender Qualität umgesetzt wird. „Uns wundert die Naivität, mit
der die Arbeitsagentur mit den Problemen der Hilfebedürftigen umgehen
will. Es würde ja niemand auf die Idee kommen, einem Lokomotivführer
ein Flugzeug anzuvertrauen, nur weil auch der Zug der Fortbewegung
dient“, so die Bundesvorsitzende des DBSH, Hille Gosejacob-Rolf.
Vehement lehnt diese den fünftägigen Crash-Kurs für die
MitarbeiterInnen der Arbeitsvermittlung zum Casemanager ab, eine
Ausbildung, zu der die Fachkräfte der Sozialarbeit ein 4-jähriges
Studium und eine berufsbegleitende Weiterbildung von 210 Stunden
benötigen.

Mit Hartz IV kommt nämlich auf die Bundesanstalt eine „neue Zielgruppe“
ehemaliger Sozialhilfebezieher zu. Menschen mit geringerer
Leistungsfähigkeit, in Krisensituationen, Suchtkranke,
Alleinerziehende, kinderreiche Familien und jugendliche Arbeitslose
brauchen vernetzte Hilfeangebote. Die BeraterInnen in der
Arbeitsagentur müssen ein Vertrauensverhältnis entwickeln, die
jeweiligen Probleme diagnostizieren, zwischen dem Verhalten des
Erwerbslosen und den Bedürfnissen der Familie unterscheiden,
Möglichkeiten und Zielrichtung von Hilfeangeboten kennen,
Rechtskenntnisse z.B. im Bereich der Jugend- und Sozialhilfe aufweisen,
vernetzte Hilfen anbieten und den Erwerbslosen entsprechend begleiten
können. „Mit einer solchen Aufgabe sind die Mitarbeiter der
Arbeitsagentur als Spezialisten für die Arbeitsvermittlung überfordert.
Insbesondere im Umgang mit dieser Klientel gibt es in der Bundesagentur
für Arbeit zur Zeit weder ausreichende Erfahrungen noch Kompetenzen. Es
bedarf wirksamer Hilfeangebote über die Gewährung von Grundsicherung
und Arbeitsvermittlung hinaus, da „die Situation der Arbeitslosen nicht
über ein bundeseinheitliches Computerprogramm zu verbessern ist,“ so
der Berufsverband.

Der DBSH spricht sich auch gegen die Verpflichtung der Arbeitsagenturen
aus, eine entsprechend reduzierte “Eingliederungshilfe“ für Erwerbslose
und deren Familien anzubieten (z.B. psychosoziale Beratung, Sucht- und
Schuldnerberatung, Kinderbetreuung, usw.). Versäumt wurde, eine
entsprechende Qualität vorzugeben. Bereits im letzten Jahr hat die
Ausschreibungspraxis der Bundesagentur abseits von Qualitätsansprüchen
und lokaler Ortskenntnis in der Suche nach dem billigsten Anbieter für
Fort- und Weiterbildung mit Hilfeangeboten „von der Stange“ zum
Zusammenbruch bewährter Trägerstrukturen geführt. Nach Beobachtungen
des DBSH beginnen Kommunen, Verbände und Initiativen bereits jetzt,
ihre bisherigen Hilfeangebote unter Verweis auf die neue Zuständigkeit
einzuschränken. „Damit ist das Entstehen eines Zweiklassen –
Hilfesystems für BürgerInnen mit und ohne Arbeit vorprogrammiert“, so
der DBSH.

Ferner sind Inhalt und Qualität der Beratung nicht geklärt, bzw. soll
sich der Inhalt der Beratung durch die Agenturen ausschließlich auf den
Abbau von Vermittlungshemmnissen beziehen. So wird sich eine
Schuldnerberatung ausschließlich auf die Abwehr von Pfändungen
beschränken, während mit der früheren Schuldnerberatung auch Hilfen für
eine sparsame Haushaltsführung verbunden waren, um neue Schulden zu
verhindern. Eine erfolgreiche psychosoziale Beratung, Familienberatung
oder die Hilfe bei Suchtproblemen benötigt eine Vertrauensbasis
zwischen BeraterIn und Klient. Diese aber wird bei einer
unprofessionellen Beratung durch die Agenturen und ohne Wahlmöglichkeit
kaum zu schaffen sein.

Aus Sicht der Sozialen Arbeit noch gravierender sind die
Überschneidungen des Gesetzes mit der Kinder- und Jugendhilfe. So wird
zu wenig bedacht, dass z.B. eine Leistungskürzung bei einem
Arbeitslosen immer die ganze Familie betrifft. Einerseits wird jedem
Jugendlichen versprochen, ihm eine Arbeitsgelegenheit, Ausbildung oder
Weiterbildung anzubieten, andererseits sind entsprechende Plätze nicht
in ausreichender Zahl vorhanden. Zu befürchten ist, dass nunmehr den
Jugendlichen sinnlose Arbeiten wie das Reinigen von Straßenschildern
angeboten werden. „Mit einer solchen Praxis aber wird kein Jugendlicher
motiviert. Wer vor allem bei jüngeren Arbeitslosen keine pädagogischen
Angebote macht, sondern nur mit Leistungskürzung droht, weist den Weg
in Ausgrenzung und Kriminalität,“ meint der DBSH.

Forderungen

Der DBSH fordert

* eine ausreichende Zahl von SozialarbeiterInnen der Bundesagentur für
Arbeit, die Absicherung sozialer Dienste, eine umfassende Unterstützung
und Begleitung der Erwerbslosen und eine Beachtung der Situation der
gesamten Familie,

* ein professionell ausgerichtetes Casemanagement (Fallmanagement)
entsprechend den Standards für Casemanagement sowie

* eine stärkere Beteiligung der Träger bisheriger psychosozialer
Hilfen.

„Wer glaubt, allein mit Sanktionen und Zwangsmaßnahmen Menschen in
Arbeit vermitteln zu können, wird schnell eines schlechteren belehrt
werden“, so der Berufsverband beim Vorstellen einer Stellungnahme zum
bisherigen Stand der Umsetzung des neuen Leistungsrechtes. „Notwendig
sind wesentliche Nachbesserungen – wenn diese nicht erfolgen, wird man
sich in Deutschland an Obdachlosigkeit und Armenfürsorge ebenso
gewöhnen müssen, wie an steigende Kriminalität und politische
Unberechenbarkeit“, so die Bundesvorsitzende des DBSH. Der DBSH ist
bereit, an der Erstellung eines solchen Konzeptes mitzuarbeiten.

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Anspruch auf Pflegegeld erlischt nicht

guz KASSEL, 11. Februar. Wer vor der Einführung der Pflegeversicherung von der Krankenkasse Pflegegeld bekommen hat, hat weiterhin Anspruch auf Leistungen, und zwar von der Pflegekasse. Dieser Bestandsschutz gilt nach einem jetzt veröffentlichten Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann, wenn die Betroffenen die Voraussetzungen der Pflegeversicherung eigentlich nicht erfüllen.

Von der Bestandschutzregelung profitierten auch Versicherte, die nach dem neuen Pflegegesetz weniger Geld bekommen würden, so die Richter. Leistungen könnten nur dann gekürzt werden, wenn sich der Pflegebedarf seit Einführung der Pflegeversicherung "wesentlich" verringert habe (AZ: B3 P7/01 R). Im konkreten Fall ging es um Pflegegeld für einen heute 13-Jährigen, der an einer Infektionskrankheit leidet, die mehrmals im Monat in Schüben auftritt. Die Krankenkasse des Jungen bewilligte 1994 Pflegegeld wegen Schwerpflegebedürftigkeit. Nach der Einführung der Pflegeversicherung am 1. April 1995 erhielt er Pflegegeld nach Stufe II. Dann jedoch strich die Pflegekasse die Zahlungen mit dem Argument, so genannte "schubhafte" Erkrankungen seien von der Pflegeversicherung ausgeschlossen.

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Kleinwüchsigkeit und ihre Hürden

Der Bundesverband deutscher Kleinwüchsiger agiert seit Jahren aus Bremen

Von Corinna Laubach

In der Ecke steht dezent ein kleiner Hocker, weit und breit ist kein hoher Schrank zu sehen, Bilder hängen ein wenig tiefer als in gewohnter Augenhöhe. Ansonsten ist es ein ganz normales Büro, in dem Karl-Heinz Klingebiel und Kristin Landwehr Bremer empfangen, die bei ihnen Rat und Hilfe suchen - beim Bundesverband Kleinwüchsiger Menschen und ihre Familien e.V. am Hillmannplatz. Aus der eigenen familiären Situation heraus hat Klingebiel offiziell 1988 den Verband ins Leben gerufen, doch bereits einige Jahre zuvor hat der Vater eines Sohnes mit Knochendisplasie eine erste Selbsthilfegruppe gegründet - "auch, weil es sehr schlechte Informationen und Beratung seitens der Ärzte gab".

Da Klingebiel sich nicht diesem Nichtwissen hingeben wollte, wurde er selber aktiv. "Im Verband sehen wir das Thema Kleinwuchs sehr umfassend." Neben der wichtigen medizinischen Seite wird hier vor allem auf psychosoziale Betreuung Wert gelegt. Bundesweit gibt es gut 100.000 Kleinwüchsige - "in Bremen sind es etwa 700", so Klingebiels Schätzung.Und ihn ärgert, dass "Kleinwuchs eine nicht beachtete Krankheit oder Behinderung" in den Augen der Öffentlichkeit ist. "Da wird dann einfach gesagt, der ist etwas zu klein." Eine hilflose Aussage, die auch heute noch von vielen Ärzten werdenden Müttern mitgeteilt wird, wenn feststeht, dass das Kind kleinwüchsig sein wird. "Und da sind wir eine Sammelstelle aller Erfahrungen", so Klingebiel, der gemeinsam mit seiner kleinwüchsigen Kollegin Landwehr oft auch Mut machen muss. "Aber darüber weinen und jammern nützt ja nichts", sagt er pragmatisch.

Als kleinwüchsig gilt, wer als Erwachsener zwischen 80 und 150 Zentimetern misst. Im Alltagsleben kommen viele Hürden wie Türgriffe, Lichtschalter, Telefonzellen oder Fenstergriffe auf sie zu. Zusätzlich zu dem Problem, dass "Kleinwüchsige oft das Gefühl haben, auf Menschen zugehen zu müssen, um Berührungsängste abzubauen". Klingebiel einfacher Rat an alle Normalgroßen: "Wir müssen uns an das Bild in der Stadt mehr gewöhnen, über Unsicherheiten und Ängste miteinander sprechen und vielleicht auch einfach mal unsere Fantasie anstrengen, wie wir es allen leichter machen können." Jahrelang hat der Verband beispielsweise für Niederflurbusse oder Fahrstühle im Bahnhof gekämpft, "die nicht nur den Kleinwüchsigen zu Gute kommen".

Zumindest auf dem medizinischen Sektor hat die Hilflosigkeit seit Jahren ein Ende. Neben einem kompetenten Kleinwuchszentrum in Mainz, finden Betroffene in Bremen beispielsweise im Zentralkrankenhaus Bremen-Nord oder in der Professor-Hess-Kinderklinik Unterstützung. "Wir haben eine vertrauensvolle Zusammenarbeit", freut sich Klingebiel. In Kürze veranstaltet der Verband sein drittes medizinisches Seminar für Ärzte in Bremen - "und über diesen Austausch können wir auch nur miteinander voneinander lernen."

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Häusliche Pflege wird Altenheime ablösen

Pflegebedürftige Senioren werden sich nach Ansicht von Meinungsforschern künftig noch häufiger als bisher zuhause pflegen lassen. Das klassische Altenheim wird langfristig verschwinden, sagte Wilhelm Haumann vom Institut für Demoskopie Allensbach.

Die Menschen seien heute stärker in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis verwurzelt als in den vergangenen Jahrzehnten. In diesem gewohnten Umfeld wollen sie auch im Alter bleiben, sagte Haumann weiter.

Zusammen mit Institutsgründerin Elisabeth Noelle-Neumann hat Haumann die Studie Pflege und Dienstleistungen für Senioren im neuen Jahrhundert erarbeitet. Diese Untersuchung wurde im Auftrag der Stuttgarter Paul-Lempp-Stiftung erstellt und soll an diesem Freitag in der Landeshauptstadt vorgestellt werden. Befragt wurden insgesamt 2000 Menschen über 16 Jahren.

Nur 17 Prozent der Befragten gaben an, im Alter in einem Seniorenheim leben zu wollen. 42 Prozent ziehen es laut Studie vor, auch im Pflegefall in der eigenen Wohnung zu bleiben. Knapp ein Fünftel (19 Prozent) würde bei den eigenen Kindern oder anderen Verwandten leben. Jeder siebte kann sich sogar vorstellen eine Wohngemeinschaft mit anderen Senioren zu gründen. Vergleichszahlen werden in der Studie nicht genannt.

Wenn die Leute im Alter daheim bleiben wollen, werden allerdings verstärkt Dienstleistungen notwendig, warnte Haumann. Vor allem Haushaltshilfen, Behördengänge und Gartenarbeiten seien gefragt. Nach jüngeren Untersuchungen sind rund fünf Millionen Menschen, zu drei Vierteln Frauen über 45 Jahre, bereit, diese Arbeiten freiwillig zu übernehmen. In erster Linie ist der Staat gefordert, die Bedingungen zu schaffen, damit dieses Potenzial auch ausgeschöpft wird, meinte Haumann. Beispielsweise müssten Beratungsstellen geschaffen werden, bei denen sich Freiwillige melden könnten.

Wünschenswert sei auch eine stärkere Vernetzung von Ärzten, Pflegern und Freiwilligen, ein virtuelles Altenheim, wie Haumann es nennt. In einem solchen Netz könnten sich alte Menschen die Dienstleistungen holen, die sie jeweils benötigen. Ein entsprechender Modellversuch laufe zurzeit in Nürnberg

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